Spinnengetiers: Size XXL


Die Great Central Road liegt nun hinter mir. Vor mir liegt das Bergbaugebiet um Kalgoorlie-Boulder im südlichen Outback und der Great Eastern Highway, über den ich bis nach Perth fahren werde. Ein krasser Gegensatz prasselt seid der Kleinstadt Laverton, am Ende der Great Central Road, auf mich ein. Ich werde durch das Bergbaugebiet (in dieser Region wird Gold abgebaut) von Roadtrains (Begrenzung auf 52m und drei Anhänger) und Servicefahrzeugen der Bergbaugesellschaften gejagt. Die Luft riecht nach Altöl, Staub und Abgasen. Was für ein Gegensatz zum Outback. Auf dem Weg nach Perth fahre ich durch die Stadt Kalgoorlie-Boulder. Diese Stadt ist der Inbegriff und das Zentrum der heutigen Ausbeutung der australischen Bodenschätze. Sie bildet eine harte Linie zwischen der Einsamkeit und Isolation im Bush und einer riesigen Abbaumaschinerie. Hier wird Geld noch mit harter Arbeit verdient. Aber gerade diese harten Jobs, im Bergbau, werden sehr gut bezahlt. Die Stadt ist eine schmutzige, stinkende und dreckige Wüstenlandschaft und voll von Wanderarbeitern. Alte Geschäftshäuser vermitteln den Charme einer Wild West Stadt. Bordelle, Bars mit leicht bekleideten Mädchen (Dessous) und Spielhöllen laden den hart arbeitenden Mann zum Geld verschwenden ein. Gerade dieses, im Vergleich zu anderen Berufen, sehr hohe Einkommen treibt die Preise für Übernachtung und Verpflegung in schwindeleregende Höhen. Campingplätze sind hier ausschliesslich für Caravans ausgelegt. Dementsprechend soll ich für eine Nacht, ohne Strom, in meinem kleinen Zelt auf einem geschotterten Platz, 47AUD bezahlen. Die Motelpreise beginnen ab 145AUD. Einfachere Unterkünfte, in denen ich nicht schlafen kann bzw. will, sind mit Stockbetten ausgestattet und bieten Platz für bis zu 8 Personen. Die 65AUD, die dafür verlangt werden, sind mir eindeutig zu viel. Der Lärm und der Geruch schwerer Maschinen dringt aus allen Ecken.
Nein, eines ist klar. Ich verzichte auf das kühle Bier in einer der Bars und fahre weitere 200km, bis zur nächsten Stadt, auch wenn sich die Sonne bereits dem Horizont nähert.  Eine gute Entscheidung. Ich komme auf einen kleinen netten Campingplatz in Southern Cross unter.

Noch am Tag zuvor musste ich herzlich über zwei Asiatinnen lachen. An dem Goldabbaugebiet um Kalgoorlie-Boulder führt der Gold Heritage Trail entlang. Eine der ehemaligen Verladestationen, welche an dem Trail liegen, wollte ich mir ansehen. Als ich die Strasse verlasse, um zu parken, kommen mir zwei Asiatinnen in einem ungewöhnlich schnellen und hektischem Tempo entgegen gerannt. Während die eine damit beschäftigt ist, ihre Sonnenbrille und ihren Rock beim Laufen nicht zu verlieren, zeigt die andere, kreischend, in Richtung Verladestation. Noch bevor ich angehalten habe, um zu fragen was denn los ist, sehe ich von den beiden nur noch eine Staubwolke in den Himmel steigen. Die hatten es wohl eilig. Naja, mal sehen, was die beiden so erschrocken hat. Ich nähere mich langsam und aufmerksam der Verladestation. Sieht doch eigentlich sehr gut aus. Keine Leichen oder ähnliches zu sehen oder zu riechen. Gerade als ich entspannt den Photoapparat einschalte, fällt mir etwas über meinem Kopf auf. Auch ich kann mir ein „Oha“ nicht verkneifen. Über meinem Kopf hängt in einem Spinnennetz eine Spinne von mir bisher unbekannter Größe. Auch ohne Zoom, kann ich den Körper der Spinne (ungefähr 10cm lang), sehr gut photographieren. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, ist die Tatsache, dass diese Spinnenart nur die Vorbereitung auf den nächsten Morgen ist.

Die Nacht in Southern Cross war relativ unspektakulär. Keine Verkehrsunfälle, keine gröberen Streitigkeiten zwischen Campingnachbarn. Sogar die aufgehende Sonne hat Erbarmen mit mir und gönnt mir Schlaf bis ca. 06:30h. Als ich noch ein wenig schlaftrunken aus meinem Zelt torkel, wundere ich mich über den ungewohnten seidigen Glanz meiner HPN. Bei näherer Betrachtung wird der Grund dafür deutlich. Hier haben ein paar Spinnen ganze Arbeit geleistet. Das Motorrad ist an Lenker, Sitzbank, Seiten und Packtaschen ordentlich eingesponnen. Bei genauerer Betrachtung und Entfernung der Spinnenfäden fällt mir auf, dass diese deutlich härter und dicker sind als die Fäden von mir bekannten Spinnentieren. So ein starkes Spinnennetz hatte ich bisher noch nicht gesehen. Plötzlich erinnere ich mich an ein Gespräch mit einem „Bergmann“ in Leigh Creek. Er hat mich auf die besondere Netzstruktur der Rotrückenspinne (Redbag Spider) hingewiesen. Das was ich hier sehe, erinnert mich doch stark an seine Beschreibungen.  Mit leichter Panik durchsuche ich das Moped nach weiteren bzw. genau so einer Spinne. Eine kann ich sogar finden, und diese hat einen „fucking red“ Strich auf dem Rücken. Habe ich damit etwa eine, vielleicht sogar mehrere Rotrückenspinnen an, auf und wohlmöglich in meinem Moped, kreisch?

Wikipedia schreibt über die Red bag Spider/Rotrückenspinne (Latrodectus hasselti): „Diese Art ist nicht aggressiv. Die männlichen Tiere sind harmlos, für den Menschen gefährlich sind nur die Weibchen. Der Biss selbst ist kaum zu spüren, der darauf folgende charakteristische Abdominalschmerz wird als „unerträglich“ beschrieben. Die Hauptkomponente des Giftes, das Alpha-Latrotoxin, führt zu Krämpfen und Schmerzen. Die Symptome dauern etwa zwölf Stunden an und klingen dann ab. Lebensgefahr besteht, wenn durch die auftretenden Lähmungserscheinungen das Atemzentrum betroffen ist.“

Natürlich handelt es sich bei meinem(n) Exemplar(en), aufgrund der Körpergröße, um die gefährlichen Weibchen. Naja, wenn ein gesunder ausgewachsener Mensch von einem Biss nicht sterben soll, dann soll er sich wohl nach einem Biss, aufgrund der Schmerzen, sich selbiges sehnlichst wünschen. Tolle Aussichten. Hier war ich dann nun mal gar nicht mehr entspannt! Keine Ahnung wo und wieviele Spinnen es sind. Dafür bietet mein Motorrad tausende von Möglichkeiten, wo sich so ein Tier verstecken kann. Die Vorstellung, dass die während der Fahrt von unter meinem Tank oder gar der Sitzbank raufgekrabbelt kommt, gefällt mir irgendwie gar nicht. Beim aufbocken des Motorrades, durch Zufall, in eine reinzufassen, gefällt mir aber noch weniger. Doch was tun – Kopfkratz – ?

Glücklicherweise bin ich in Australien und damit in einem Land, in dem es tödliche „Multi Insect Killer“ mit „Fast Knockdown“ zu kaufen gibt. Also, nix wie auf zum nächsten Agrarhandel. Nur wie komme ich da hin? Ganz klar, diese Reise steht unter dem Motto „ein Abenteuer mit dem Motorrad“ und dementsprechend fahre ich, auf den Fussrasten stehend und sehr breitbeinig zum Agrarhandel. Vor dem Agrarhandel konnte ich, neben anderen Arten, auch ein Exemplar der Rotrückenspinne an der Gepäckbrücke finden. Leider hat diese sich so schnell verzogen, dass ich das angebliche Wundermittel an einer anderen Spinne, die gerade aus meiner Lenker-Armatur gekrabbelt kam, ausprobieren musste. Kurz drauf gesprüht…Spinnenstarre… nach 4sek springt die Spinne auf, um tod auf dem Rücken zu landen. Das gefällt mir, insbesondere in dieser Situation! Kurzum habe ich in jede Ritze und jedes Loch Mortein gesprüht. Nach der Anwendung war ich mir allerdings nicht mehr sicher, ob Mortein ausschliesslich ein Multi Insect Killer ist, oder noch andere Gattungen, wie z.B. die Art Mensch, killen kann. Nach etwa 24h war die Übelkeit verflogen 😀

Ich habe es überlebt, also, die Rotrückenspinne. Diese habe ich zwar nach dem Einnebeln nicht mehr gesehen, gehe aber davon aus, dass ihr die Sonderbehandlung nicht so gut bekommen ist. Was mit ihr allerdings geschehen ist…keine Ahnung. Ich lebe aber noch und kann mich zum Glück nicht über Bauchschmerzen beschweren.

Als nächstes kommt Aussie Grates in Fremantle und der indische Ozean.

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7 Antworten zu “Spinnengetiers: Size XXL

  1. Was mit ihr allerdings geschehen ist…keine Ahnung. Ich lebe aber noch und kann mich ….an nichts mehr erinnern… 🙂
    Ja so ein Nervengas hat halt Wirkungen.
    Ohne Gedächnis weiste auch nix mehr von den Spinnen und kannst entspannt fahren…. bloss wohin…

  2. Mann o Mann…. Mann oder Memme? Haste vor so’ner kleinen Spinne Angst. Hast Du zuviele weibliche Hormone? 😉

  3. So ganz ohne Insektizide kommst Du wohl doch nicht aus ; ) LG Ladybird

  4. Hi Carsten,
    nette Achtbeiner. Deine Rotrückenspinne ist eine Cousine (gleiche Gattung) unserer europäischen schwarzen Witwe. Die Größere Radnetzspinne dürfte eine Nephila sein, vielleicht sogar Nephila edulis? hast du mal probiert 🙂 ?
    beste Grüße
    Arnd

    • Hi Arnd. Du hast recht, bei der Seidenspinne (Radnetzspinne) handelt es sich um Nephilia Edulis, und damit wieder um einen Endemit (wie vieles hier in Australien). Schicke Dir ein Bild in max. Auflösung zu. Hoffe es kommt durch.

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